Alles in bester Ordnung

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In der Tragikomödie „Alles in bester Ordnung“ kulminieren zwei Lebensentwürfe, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Es geht um zwei Menschen, die den Wert von Besitz und Gegenständen so unterschiedlich bewerten wie Tag und Nacht. Aus diesem Spannungsverhältnis ergeben sich clevere Beobachtungen und spannende Reflexionen über das Loslassen und krampfhafte Verharren in der Vergangenheit. Vor allem lebt der Film aber vom starken, facettenreichen Spiel seiner beiden Hauptdarsteller.

Website: www.filmweltverleih.de

Deutschland 2021
Regie: Natja Brunckhorst
Drehbuch: Natja Brunckhorst, Martin Rehbock
Darsteller: Corinna Harfouch, Daniel Sträßer, Joachim
Król, Luise Kinner
Länge: 96 Minuten
Kinostart: 26.05.2022
Verleih: Filmwelt

FILMKRITIK:

Nach einem Wasserschaden in seiner Wohnung steht der klitschnasse Fynn (Daniel Sträßer) bei der 54-jährige Marlen (Corinna Harfouch) vor der Tür, die unter ihm wohnt. Marlen fällt es allerdings schwer, sich seiner zu Erbarmen, da die zurückgezogen lebende Frau und der Computer-Experte nicht unterschiedlicher sein könnten. Während Marlen sich nicht von Utensilien aller Art trennen kann, reist Fynn mit einem Rollkoffer durch die Gegend, in dem er seinen ganzen Besitz mit sich führt. Dem Ordnungsfanatiker genügen 100 Dinge, während sich Marlen in ihrer mit Krimskrams vollgestellten Wohnung kaum noch frei bewegen kann. Doch trotz der konträren Lebensweisen gehen Fynn und Marlen einen Deal ein: Fynn darf bei Marlen unterkommen, muss Marlen aber beim Ausmisten helfen.

Fast jeder kennt das Gefühl und die widerstreitenden Gedanken, die meist beim Ausmisten oder Packen vor dem nächsten Umzug aufkommen: Was schmeiße ich weg, was behalte ich lieber? Von welchen Erinnerungsstücken trenne ich mich, was könnte ich irgendwann vielleicht doch noch einmal benötigen? Regisseurin und Drehbuchautorin Natja Brunckhorst erhebt diese widersprüchlichen Emotionen in der Figur von Marlen gar zum radikalen Lebensentwurf und -konzept.

Marlens Wohnung, bei der sich die Szenenbildner und Requisiteure mal so richtig austoben konnten, gleicht vielmehr einem Museum voller Krempel, altem Plunder, Alltagsgegenständen und Dingen, die sich in einem Menschenleben nach über 50 Jahren eben so alles ansammeln. Wobei dies bei Marlen, dessen ist sie sich bewusst, bereits krank- und zwanghafte Züge annimmt. „Alles in bester Ordnung“ sieht ihr Verhalten als Entsprechung für das krampfhafte Festhalten an der Vergangenheit. Und die Gegenstände stehen symbolisch für die schönen Erinnerungen (vor allem an andere Menschen) aber auch den Schmerz, den man mit ihnen verbindet.

Mit sanftem Wohlwollen, feiner Ironie und einem ebensolchen Gespür für intelligente Zwischentöne arbeitet Brunckhorst die Gegensätze zwischen Marlen und Fynn heraus. Auf der humorvollen Ebene punktet vor allem der stimmige Dialogwitz, aus dem sich – bei genauem Hinhören – durchaus manches Herauslesen lässt über die Vergangenheit der Figuren.

Dennoch hätte man gerne noch mehr erfahren über deren früheres Leben und wieso genau Marlen und Fynn so „extrem“ geworden sind: Sie, die unzugängliche, verstiegene Mittfünfzigerin, die in jungen Jahren doch so gerne durch die Welt reiste. Er, der minimalistisch lebende, 32-jährige IT-Nerd, der allen unnötigen Ballast von sich fernhält und dabei fast sklavisch seiner exakt austarierten Ordnungssystematik folgt. So bleiben die genauen biografischen Ereignisse und Hintergründe letztlich doch oft recht vage und bruchstückhaft, was das Verständnis für die Verhaltensweisen der Protagonisten nicht gerade leichter macht.

Dennoch schafft Brunckhorst, und das ist das erfreuliche, Platz für charakterliche Entwicklungen und die gegenseitige Annäherung. So bekommen die beiden famosen Hauptdarsteller Daniel Sträßer und Corinna Harfouch dann auch ausreichend Gelegenheit, mit ihren ausdrucksstarken und glaubhaften Performances zu glänzen. Ein gutes Gespür bewies die Filmemacherin zudem bei der Rollenbesetzung der mal verschrobenen, mal herzensguten aber stets interessanten Nebenfiguren, die unter anderem von Joachim Kròl und Simon Hatzl verkörpert werden.

 

Björn Schneider