Der ganz große Coup

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Auf den ersten Blick wirkt Fulvio Risuelos „Der ganz große Coup“ wie eine etwas überdrehte Komödie an, die sich um die Entführung einer kleinen Bulldogge dreht. Doch dann offenbart die kleine, rohe italienische Produktion nicht nur erzählerische Ambitionen, sondern entwickelt sich zu einem überaus sehenswerten Film über die Abgehängten und Außenseiter der ewigen Stadt.

Il colpo del cane
Italien 2019
Regie & Buch: Fulvio Risuleo
Darsteller:Edoardo Pesce, Silvia D’Amico, Daphne Scoccia, Anna Bonaiuto, Sabrina Marchetta, Vittorio Viviani

Länge: 93 Minuten
Verleih: Kairos
Kinostart: 18. August 2022

FILMKRITIK:

Sommer in Rom. Allerdings nicht beim Trevi Brunnen oder auf der spanischen Treppe, nicht in den Nobelvierteln der ewigen Stadt, sondern am Rand der Metropole, den ärmlichen Vororten, wo das Geld knapp ist. Hier leben Rana (Silvia D’Amico) und Marti (Daphne Scoccia), zwei junge Frauen, die sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Einen neuen haben sie gerade an Land gezogen und zwar als Hundesitterinnen. Dir winzige Bulldogge Ugo sollen sie ausführen, wenngleich für einen miserablen Lohn.

Und so ist Rana dann auch nicht abgeneigt, als ihr im Park ein seltsamer Fremder ein Angebot macht: Er will sich Ugo ausleihen, um ihn quasi als Deckhengst zu benutzen. Denn mit edlem Hunde-Nachwuchs lässt sich viel Geld machen, reinrassige Welpen gehen für tausende Euro weg und so willigt Rana in das Geschäft ein. Doch es kommt anders und auf einmal wird Ugo entführt.

Gut ein Drittel von „Der ganz große Coup“ ist in diesem Moment vorbei, als Autor und Regisseur Fulvio Risuelo noch einmal von Vorne beginnt – scheinbar. Auf einmal ist der langhaarige Orazio (Edoardo Pesce) die Hauptfigur, ein Slacker, ein arbeitsloser Heavy Metal-Fan, der sich wie Rana und Marti zuvor mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, was nicht die einzige Verbindung bleiben wird.

Denn bald erfährt man, dass Orazio ebenfalls mit Hunden zu tun hat, mit windigen Gestalten agiert, die seine gutmütige Art ebenso ausnutzen, wie viele andere Menschen. Doch irgendwann hat Orazio genug und will sich nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen.

Wie eine leichte Komödie beginnt der zweite Spielfilm des jungen italienischen Regisseurs Fulvio Risuleo, mit einer Party-Sequenz, Bildern der Langeweile und des Müßiggangs. Außenseiter der Gesellschaft stehen im Mittelpunkt, die Abgehängten, nicht die ganz Armen, aber die untere Mittelschicht, deren Lebensstandard langsam sinkt. Bald entwickelt sich aus dem seltsamen Thema Dog-Sitting und Hundezucht eine rasante Verfolgungsjagd, die abrupt zum Stehen kommt.

Was folgt erinnert entfernt an die verschachtelte Erzählung von „Pulp Fiction“ und seinen vielen Nachahmern, was die neue, die dritte Hauptfigur mit den beiden Frauen des ersten Aktes verbindet offenbart sich nur langsam. Wie Risuleo die beiden Erzählebenen zusammenbringt ist jedoch mehr als nur eine Spielerei und einer Variation von Genremotiven. Auf leichtfüßige Weise, ohne zu einem schweren Film aus dem Bereich des Sozialrealismus zu werden, erzählt  „Der ganz große Coup“ nun zunehmend von den sozialen Klassen der italienischen Hauptstadt und dem Leben am Rand der Gesellschaft.

Besonders in Gestalt von Orazio, der anfangs ein träger Mann ist, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hat, der Enttäuschungen und Absagen lange Zeit stoisch hinnimmt, bis er schließlich genug hat. Ein kleiner Film ist „Der ganz große Coup“, mit augenscheinlich beschränkten Mitteln umgesetzt. Dafür aber mit viel Herz und vor allem großer Sympathie für die Außenseiter der Gesellschaft.

 

Michael Meyns