Die wandernde Erde 2

Zum Vergrößern klicken

China wächst, die normale Wirtschaft, aber auch das Kinogeschäft. Doch Filme, die in China produziert werden, finden nur selten den Weg in den Rest der Welt, meist spielen sie ihr Geld nur auf dem heimischen Markt ein. Und davon sehr viel, so wie der zum lukrativen Chinesischen Neujahr im Januar gestartete „Die wandernde Erde 2“, der nun auch in die deutschen Kinos kommt – und dort sollte man das stilistisch spektakuläre Epos unbedingt sehen.

Liu lang di qiu 2
China 2023
Regie: Frant Gwo
Buch: Plaion Pictures
Darsteller: Wu Jing, Andy Lau, Li Xuejian

Länge: 173 Minuten
Verleih: Plaion Pictures
Kinostart: 21. Dezember 2024

FILMKRITIK:

Etwas polemisch könnte man formulieren: Wessen Propaganda wollen wir folgen? Der aus Hollywood, der wir in den letzten einhundert Jahren gefolgt sind oder einer neuen, einer, bei der nicht Amerikaner die Welt retten, sondern Chinesen? Denn ein interessanter Aspekt des von Frant Gwo inszenierten Weltuntergangsszenarios ist die Ähnlichkeit zu vergleichbaren Filmen aus Hollywood, nur eben mit ausgetauschten Ethnien.

Auch wenn „Die wandernde Erde 2“ eine Fortsetzung zu sein scheint, ist es nicht nötig, den ersten Teil zu kennen, der im Westen noch bei Netflix versendet wurde. Auf einer Kurzgeschichte des chinesischen Star-Autors Liu Cixin basiert die Geschichte, die von einer fernen Zukunft erzählt, in der die Erde durch Umweltkatastrophen und eine expandierende Sonne in ihrer Existenz bedroht ist. Die Lösung sieht vor, die gesamte Erde mit Hilfe von gigantischen Raumschiffen in ein anderes Sonnensystem zu transportieren, eine Aktion, die im ersten Teil fast an der Anziehungskraft des Jupiters scheiterte.

Die Fortsetzung erzählt nun eine Art Vorgeschichte, beginnt mit Bildern, in denen die Bemühungen der Menschheit gezeigt werden, eine gigantische Rettungsaktion zu starten. Die in diesem Fall – und hier wird es ideologisch interessant – von chinesischen Wissenschaftlern und Politikern angeführt wird. Sind es in vergleichbaren Hollywood-Filmen stets Amerikaner, denen, je nachdem wie progressiv der Film wirken möchte, vielleicht noch eine internationale Crew zur Seite steht, sind es hier Chinesen, die die Welt retten. Und dafür von Menschen auf aller Welt bejubelt werden, in typischen Montagesequenzen, in der Bewohner aus aller Welt mit offenen Augen zum Himmel blicken oder im Kreis ihrer Lieben auf Fernseher schauen, wo gerade die Mitteilung von der Rettung der Welt verbreitet wird.

Und auch in anderer Hinsicht kann dieser chinesische Blockbuster mit den amerikanischen Vorbildern mithalten: Leider in seiner exorbitanten Lauflänge von fast drei Stunden, vor allem aber in wahrlich atemberaubenden Spezialeffekten, die sich keineswegs vor den Vorbildern verstecken muss. Sagenhafte 165 Millionen Dollar soll dieses Spektakel gekostet haben, was eines der höchsten Budgets sein dürfte, das es jemals abseits von Hollywood gab. Doch der Erfolg gibt den Machern recht: Etwas über 600 Millionen Dollar spielte „Die wandernde Erde 2“ ein und ist damit der weltweit achterfolgreichste Film des Jahres. Sollte sich das westliche Publikum in den nächsten Jahren daran gewöhnen, dass die Helden von Action oder Science-Fiction-Abenteuern aus anderen Weltregionen kommen, steht dem globalen Erfolg von chinesischen Blockbustern nichts mehr im Wege. Und warum auch nicht, viel zu lange hat sich die Wahrnehmung des Westens vor allem um sich selbst gedreht, wurde der Rest der Welt in erster Linie als Spielball für die eigenen Interessen betrachtet. „Die wandernde Erde 2“ zeigt nun auf stilistisch eindrucksvolle Weise, dass die Welt auch von Anderen gerettet werden kann.

 

Michael Meyns