Lovecut

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Der österreichische Coming-of-Age-Film „Lovecut“ wurde auf dem diesjährigen Max-Ophüls-Festival mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Iliana Estañol und Johanna Lietha haben sehr genau zugehört und zugesehen. Sie zeichnen das Porträt einer Jugend, das immer stimmig ist, wenn sie von sechs Teenagern und ihren Problemen im (Liebes-)Leben berichten. Sie haben aber auch sehr gute Laien für die Hauptrollen gefunden.

Website: https://meteor-film.com/detail/index/sArticle/24022

Lovecut
Österreich 2020
Regie + Buch: Iliana Estañol und Johanna Lietha
Darsteller: Sara Toth, Karem Abdelhamed, Luca von Schrader, Max Kuess, Melissa Irowa, Valentin Gruber
Länge: 94 Minuten
Verleih: Meteor Film
Kinostart: 20. September 2020

FILMKRITIK:

Es sind die Geschichten von sechs Jugendlichen, die hier erzählt werden. Ben ist auf Bewährung, als er Luka kennen lernt, die von zuhause wegläuft, auf Gefühle nichts gibt, aber Spaß haben möchte. Ihre Freundin Momo ist in einen Jungen verliebt, der sie aber nicht treffen will. Denn Alex sitzt im Rollstuhl und hat gar nicht vor, das Momo zu sagen, da er Angst hat, dass sie dann nicht mal mehr miteinander über Skype reden würden. Jakob und Anna filmen sich beim Sexspiel und kommen auf die Idee, das Video auf einer Online-Sex-Seite hochzuladen. Sie machen richtig Geld, was Anna immer mehr anspornt – im Gegensatz zu Jakob.

Der Film lebt von seiner immensen Authentizität. Das liegt nicht nur am österreichischen Zungenschlag, sondern vor allem an den Jungdarstellern, die die beiden Regisseurinnen allesamt in Clubs und Discos gefunden und dann angesprochen haben, ob sie in dem Film mitwirken wollen. Das verleiht dem Ganzen eine Direktheit, die man noch aus Larry Clarks „Kids“ kennt. Was damals das Porträt einer verlorenen Generation war, ist beim österreichischen Film etwas durchaus anderes. Eine Geschichte über die Träume, Hoffnungen und die Verlockungen einer Jugend, in der Sex leichter denn je zu haben ist, aber die damit einhergehende Freiheit ihre eigenen Beschränkungen mit sich bringt.

So exzellent die jugendlichen Figuren sind, so stocksteif und gekünstelt erscheinen die wenigen erwachsenen Figuren im Film. Gut, dass sie nur bessere Staffage darstellen und die Autorinnen sich auf ihre jungen Protagonisten konzentrieren, bei denen sie Sehnsüchte herausarbeiten, aber auch zeigen, wie der Abstieg in ein Gewerbe sein kann, von dem man nie gedacht hätte, dass man damit sein Geld verdient. Gerade Annas Geschichte wird dabei aber nicht als moralisches Lehrspiel, das mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, gezeigt. Vielmehr beobachtet der Film unbeteiligt, wie die Verlockung des schnellen Geldes wirken kann.

Der Film hat seine intimen, emotionalen Momente. Etwa, wenn der an den Rollstuhl gefesselte Alex zu einer Prostituierten geht, um überhaupt herauszufinden, was er noch tun kann – und um die Unsicherheit abzubauen, die er in Hinblick auf das Mädchen empfindet, das er bislang nur über seinen Bildschirm kennt. Da wird die moderne, digitale Welt dann wieder analog – wie jede Beziehung auch in Zeiten grenzenloser Kommunikationsmöglichkeiten am Ende doch immer auf zwei Menschen herunterzubrechen ist, die sich tief in die Augen sehen.

Die verschiedenen Geschichten sind geschickt erzählt und berühren einander immer wieder, so dass sich am Ende ein homogenes Ganzes ergibt, auch wenn die Momentaufnahme aus dem Leben dieser sechs Teenager eines nicht bieten kann: ein Happyend. Weil das Leben mit seinen Höhen und Tiefen halt immer weitergeht.

Peter Osteried