Noch einmal, June

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In letzter Zeit befassten sich einige Filme mit dem Thema Demenz. Anthony Hopkins erhielt für seine Darstellung in „The Father“ sogar einen Oscar. Verdient hätte ihn auch die australische Schauspielerin Noni Hazlehurst – sie ist außerhalb ihrer Heimat kaum bekannt, gehört dort jedoch zu den großen Schauspielerinnen. Hier spielt sie June, eine Frau, die nach fünf Jahren Demenz eine wache Phase hat und versucht, ihre Familie, deren Lebenswege in den letzten Jahren etwas aus dem Ruder liefen, wieder auf Kurs zu bringen.

Website: https://happy-entertainment.de/noch-einmal-june/

June Again
Australien 2020
Regie + Buch: JJ Winlove
Darsteller: Noni Hazlehurst, Claudia Karvan, Stephen Curry
Länge: 99 Minuten
Verleih: Happy Entertainment
Kinostart: 17. Februar 2022

FILMKRITIK:

Als der Arzt sie fragt, ob sie den Kugelschreiber in seiner Hand erkennt, ist June sehr verwundert. Was für eine dümmliche Frage soll das denn sein. Natürlich ist es ein Kugelschreiber. Dann erklärt der Arzt ihr jedoch, dass sie den in den letzten fünf Jahren nicht erkannt hat. Sie hatte einen Schlaganfall, gefolgt von vielen kleineren Schlaganfällen, wodurch eine Demenz ausgelöst wurde. In seltenen Fällen gibt es eine Erholung und einen Zustand geistigen Wachseins, aber dieser ist nie von Dauer – und aufregen sollte sie sich am besten auch nicht. Am besten sollte sie im Heim bleiben, in dem sie die letzten fünf Jahre verbrachte. Aber June denkt gar nicht daran. Sie fährt nach Hause. Ein Haus, in dem eine andere Familie wohnt. Ihr wird klar, dass bei ihrer Familie in den Jahren ihrer Demenz einiges aus dem Ruder gelaufen ist.

Der Neuseeländer JJ Winlove hat „Noch einmal, June“ geschrieben und inszeniert. Es ist eine von Herzen kommende Geschichte, die er hier erzählt, auch wenn sie anders als etwa bei „The Father“ den Humor neben der Tragik in den Mittelpunkt rückt und damit deutlich von der Realität abweicht. Phasen, wie June sie hat, sind tatsächlich das, als was der Arzt sie bezeichnet: Wunder. Aber dieses Wunder ist der Katalysator der Geschichte.

Die dreht sich einerseits um Junes Versuche, zu richten, was ihrer Meinung nach falsch läuft, andererseits um einen finalen Road Trip, der sie mit ihrer Situation aussöhnt – und mit der Erkenntnis, dass diese Phase des Wachseins nur eine begrenzte Zeit anhalten wird. Noni Hazlehurst spielt das exzellent. Sie hat offenkundig studiert, wie Demenzkranke agieren. Die Szenen im Heim am Anfang sind ausgesprochen bitter, weil man einen Menschen erlebt, der nicht nur sich selbst verloren hat, sondern auch die einfachsten Dinge nicht mehr versteht.

Dem gegenüber steht dann sanfter Humor, als sie wieder erwacht. Das wird schon durch die Art ihrer „Flucht“ sehr schön akzentuiert. Was dann folgt, ist eine warmherzige Geschichte, über der immer auch die Aura von Traurigkeit schwebt, weil jeder weiß, dass dieser Zustand nicht anhalten wird.

„Noch einmal, June“ ist ein amüsanter, durchaus witziger Film, aber auch ein trauriger, dessen letzter Akt den Zuschauer besonders trifft. Weil June der Unausweichlichkeit der schrecklichen Krankheit nicht entgehen kann und man das mit ihr zusammen durchstehen muss.

Peter Osteried