Port Authority

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Paul ist neu in New York findet durch die attraktive Wye Anschluss in der queeren Community und der Voguing-Szene. Er ist nicht queer, fühlt sich in der Subkultur dennoch respektiert und verstanden. Als Paul sich in Wye verliebt, gerät er in einen Gewissenskonflikt. Denn Wye kam als Junge auf die Welt. Der 2019 in Cannes präsentierte Debütfilm „Port Authority“ behandelt auf aufrichtige, ehrliche Weise die Selbstfindung eines jungen Mannes. Darüber hinaus gewährt er intime Einblicke in die New Yorker Ballroom-Szene und verfügt über zwei famos aufspielende Hauptdarsteller.

Website: https://salzgeber.de/de/film/port-authority/

USA, Frankreich 2019
Regie: Danielle Lessovitz
Drehbuch: Danielle Lessovitz
Darsteller: Fionn Whitehead, Leyna Bloom,
McCaul Lombardi, Louisa Krause
Länge: 94 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 10.12.2020

FILMKRITIK:

Der 20-jährige Paul (Fionn Whitehead) ist gerade in New York gestrandet. Am Busbahnhof der Millionenmetropole, der Port Authority, wird seine Aufmerksamkeit auf eine junge Frau gelenkt. Es ist die charismatische Wye (Leyna Bloom), die mit ihren Geschwistern den körperbetonten Tanz „Vogue“ vorführt. Wenig später lernen sich Paul und Wye besser kennen. Wye führt Paul in die queere Subkultur von New York ein und stellt ihm ihre Ballroom-Familie vor, mit der sie zusammenlebt. Allmählich entwickelt sich zwischen den Beiden eine intensive Liebesbeziehung. Als Paul herausfindet, dass Wye trans ist, muss er seine eigenen Definitionen von Identität, Sexualität und Geschlecht hinterfragen. Und sich entscheiden, ob er sich offen zu seinen Gefühlen bekennt.

Die in San Francisco geborene Filmemacherin und Drehbuchautorin Danielle Lessovitz beschäftigt sich in ihrem ersten Langfilm nicht nur mit einer intensiven, von Ängsten und Vorurteilen geprägten Liebesbeziehung. Im Kern geht es um die Themen wie Selbstfindung, Außenseitertum und das Ringen um Akzeptanz. Hauptfigur Paul (glaubhaft und ausdrucksstark: Fionn Whitehead) ist zu Beginn ein innerlich zerrissener, irritierter junger Mann, der Bestandteil zweier völlig unterschiedlicher Gruppierungen und „Communities“ ist.

Einerseits ist der Teil des Freundeskreises um den proletenhaften, derb auftretenden Lee, den Paul in einer U-Bahn kennengelernt hat. Ist Paul mit diesen Männern zusammen, ist er umgeben von schwulenfeindlichem Machismus, minderheitsfeindlichen Denkweisen, Aggressivität und Kriminalität. Eine ganz und gar andere, gegensätzliche Welt stellt die LGBTQ-Community rund um Wye dar.

In Wyes „House“ leben (homo- und bisexuelle) Weiße und People of Color, Trans-Frauen, Draq-Queens, androgyne Künstler, von der Gesellschaft Verstoßene. Sie haben sich eine alternative Familienstruktur geschaffen, in der gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Liebe das Wichtigste sind. Und: Das Tanzen. Tanzszenen in „Port Authority“ gibt es zwar nicht allzu viele. Doch wenn man Wye und ihre Mitstreiter/innen dann mal bei ihren Proben oder auf Straße beobachten darf, sind dies pulsierende und mitreißende Momente voller Energie.

Mit einem beachtlichen Gespür für Feinsinn, Atmosphäre und subtile Andeutungen (verstohlene Blicke, Körpersprache, die Mimik) schildert Lessovitz den Konflikt, mit dem Paul zu kämpfen hat. Und sie lotet die Unsicherheiten aus, mit denen er ringt. Zu welcher Gruppe fühlt er sich zugehörig? Was will er eigentlich? Wie lange kann er dieses „Doppelleben“ noch führen? Einige Fragen und Befangenheiten auf Seiten von Paul handelt Lessovitz etwas schnell und unzureichend ab. So wehrt er sich anfangs zunächst gegen seine Gefühle und stellt Wye gegenüber klar, dass er nicht schwul sei. Wenig später aber sind all diese Hemmungen und Befürchtungen verflogen, wenn er sich voll und ganz auf Wye einlässt – auch sexuell.

Außerdem sind einige Nebenfiguren eher Reißbrett-artig gezeichnet und fungieren als unbedeutenden Randnotizen. So zum Beispiel Wyes brüsk auftretender, abweisender Bruder oder Pauls Halbschwester. Ihnen allen kommt man nicht wirklich nah. Das liegt aber vor allem an der Charismatik und Strahlkraft der beiden Hauptdarsteller(innen), deren Chemie jederzeit wunderbar stimmig ist. Sie spielen die übrigen Darsteller an die Wand. Besonderes Lob gebührt Tänzerin und Model Leyna Bloom, die als verführerische, selbstbewusste und unnahbare (“Ich bin zwar Single aber ich bin nicht zu haben”) Protagonistin eine brillante Darbietung zeigt.

Björn Schneider