Szenen meiner Ehe

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Trotz aller gesellschaftlicher Entwicklungen ist die Ehe immer noch die übliche Lebensform und als solche natürlich auch immer noch Thema des Kinos. Auch Regisseurin Katrin Schlösser ist verheiratet und beschreibt in ihrem Film „Szenen einer Ehe“ genau das: Momente ihrer Beziehung, Szenen der Nähe und des Streits, der Diskussion und der Kontemplation. Ein unaufgeregtes, vielschichtiges Dokument.

Website: www.realfictionfilme.de

Dokumentation
Deutschland/ Österreich 2019
Regie & Buch: Katrin Schlösser
Länge: 94 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: ab 8. April 2021 über kino on demand

FILMKRITIK:

Zwischen dem österreichischen Burgenland und Berlin spielt sich die Ehe von Katrin Schlösser und Lukas Lessing ab, eine Verbindung, die erst nach einer zweiten Begegnung begann. Jahre vorher hatten beide in anderen Partnerschaften gelebt, hatten eine kurze Affäre, an der mal früher, mal später beide Beziehungen zerbrachen. Der Kontakt ging verloren, Jahre später brachte eine zufällige Begegnung sie wieder zusammen, die Intensität war sofort wieder da, diesmal waren beide frei und heirateten schnell.

Von Beginn dieses zweiten Anlaufs an filmte Katrin Schlösser Momente der Beziehung, später Szenen ihrer Ehe mit der Kamera ihres iPhones, was ihren Film wie ein intimes, sehr privates Homevideo wirken lässt. Erfahrungen als Regisseurin hatte Schlösser noch nicht, aber als Produzentin hatte sie Spielfilme von Ulrich Köhler oder Stefan Krohmer verantwortet, dazu Dokumentarfilm von Thomas Heise oder Volker Koepp. Beides Regisseure, die für ihre ruhigen, beobachtenden Dokumentationen bekannt sind, für Filme, die dem Zuschauer keine dezidierte Meinung vorschreiben, sondern offen sind, mehr zeigen, als sagen.

In diesem Stil funktioniert auch „Szenen meiner Ehe“, in dem Schlösser mit bemerkenswerter, manchmal auch unangenehmer Offenheit ihre Beziehung auf die Leinwand bringt, Momente zeigt, offenbart, verrät, die meistens und oft aus gutem Grund, zwischen den Beteiligten bleiben. Dass der Titel ihres Films sich unmittelbar auf einen der berühmtesten Klassiker von Ingmar Bergman bezieht, der in seinem „Szenen einer Ehe“ mit seiner unnachahmlichen Schärfe eine Ehe seziert, ist ein klares Statement, aber auch ein Wagnis. Eines, das Schlössers Film auf bemerkenswerte Weise erfüllt.

Zwar gibt es auch in „Szenen meiner Ehe“ eher typische Momente einer Dokumentation über die Ehe, Gespräche mit den Eltern, die über ihre eigenen Erfahrungen berichten, Momente des Alltags, die normal, aber auch banal wirken. Dann aber gelingt es Schlösser Szenen einzufangen, die von enormer Intensität sind, Szenen, in denen das Paar den Zustand seiner Beziehung diskutiert, darüber redet, wo man leben, wie man Sex haben will. Fast überall kann die Kamera dabei sein, da immer nur Schlösser sie führte sieht man oft verkantete Einstellungen, steht die Kamera auf dem Armaturenbrett, einem Tisch, neben dem Bett, manchmal ist kaum etwas zu erkennen, ist nur Nebensächliches zu sehen, spielt sich das Entscheidende auf der Tonspur ab.

Ein ästhetischer Film ist „Szenen meiner Ehe“ dadurch nicht, es ist im schlechtesten, aber auch im besten Sinne ein Heimvideo, zeigt Momentaufnahmen, spontane Beobachtungen. Die Qualität von Schlössers Arbeit liegt in der Offenheit, auch der Schonungslosigkeit, mit der sie ihre Beziehung vor die Kamera holt, mit der sie ihren Mann dazu bringt, vielleicht auch nötigt, sich zu öffnen, zu reden. Eins dürfte klar sein: Wenn eine Beziehung einen Film wie „Szenen meiner Ehe“ übersteht, wird sie noch lange halten.

Michael Meyns