The Atrocity Exhibition

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Als unverfilmbar hat Autor J.G.Ballard sein Buch „The Atrocity Exhibition“ bezeichnet, ein Urteil, das Jonathan Weiss’ Verfilmung bestätigt, aber auch wieder nicht. Denn so wie das Buch, das nur bedingt als Roman zu bezeichnen ist, lose Szenen aneinanderreiht, reiht auch Weiss Szenen aneinander, die die menschliche Neigung (und Lust) an Grausamkeiten bis an die Grenze des Erträglichen visualisieren. Ein Kultfilm, das in jedem Fall.

USA 1998
Regie: Jonathan Weiss
Buch: Jonathan Weiss & Michael Kirby, nach dem Roman von J.G. Ballard.
Darsteller: Victor Slezak, Anna Juvander, Michael Kirby, Mariko Takai, Rob Brink, Diane Grotke, Caroline McGee, Robert Morgan

Länge: 102 Minuten
Verleih: rapideye Movies
Kinostart: 15. Februar 2024

FILMKRITIK:

1970 veröffentliche der britische Autor J.G. Ballard „The Atrocity Exhibition“, einen Anti-Roman, der aus 15 Kapiteln mit sprechenden Titeln wie „Die Universität des Todes“, „Plan für einen Anschlag auf Jacqueline Kennedy“ oder „Liebe und Napalm: Export USA“ besteht, letzterer auch der Titel der deutschen Übersetzung des Buches. Hatte Ballard zu Beginn seiner schriftstellerischen Karriere noch mehr oder weniger konventionelle Romane mit stringenter Handlung veröffentlicht, versuchte er sich nun an einem experimentellen Roman, der unterschiedliche Aspekte seiner Thematik beleuchtete: Der menschlichen Neigung zu oft unvorstellbarer Grausamkeit.

Die Veröffentlichung im Jahr 1970, Mitten während des Vietnamkrieges war dabei kein Zufall, der amerikanische Vernichtungskrieg gegen das südostasiatische Land hatte seinen Höhepunkt erreicht, die Bilder von Kriegsverbrechen wie dem Massaker in My Lai, den Bildern von durch Napalm verbrannte Zivilisten waren um die Welt gegangen und hatten die Bilder der 60er Jahre fortgesetzt, nicht zuletzt die Ermordung John F. Kennedys, inklusive Gehirnpartikel auf dem Designerkleid seiner Frau.

All das in Worten zu beschreiben ist nun eine Sache, es in Bildern auf die Leinwand zu bringen eine ganz andere. Doch genau das versuchte Jonathan Weiss 1998 mit seinem Film „The Atrocity Exhibition“, der die lose Form des Romans – einmal Talbert, Traven, Travis oder Talbot genannte Professor (Victor Slezak) stellt mit seinem Kollegen Dr. Nathan (Michael Kirby) und seiner Geliebten (Anna Juvander) berühmt-berüchtige Szenen des 20. Jahrhunderts nach – in eine episodische filmische Form übersetzt. Das Nachspielen von berühmten Szenen wird den Ballard-Kenner an „Crash“ erinnern, David Cronenbergs Verfilmung des 1973 erschienenen Ballard-Romans, in dem Autounfälle berühmter Menschen zur sexuellen Befriedigung nachgespielt werden.

Im Gegensatz zu Cronenberg verzichtet Weiss jedoch auf jegliche konventionelle Handlung und führt einen bisweilen schwer zu ertragenden Reigen an grausamen Bildern auf: Von Schönheitsoperationen, bei denen man überdeutlich sehen kann (oder muss), wie bei einer Patientin unter der Haut hantiert wird, bis zu verstümmelten Opfern von Kriegen wird wenig ausgelassen. Doch gerade der Kontrast zwischen den Bildern vom Schönheitswahn, mit Aufnahmen des Vernichtungswahn sorgen für eine Dialektik, die den Intentionen Ballards nahekommt.

„The Atrocity Exhibition“ blieb Jonathan Weiss’ einziger Film, was nicht überrascht, aber auch bedauerlich erscheint: Denn stilistische, ambitionierte Experimente wie diese Adaption eines nicht ganz zu Unrecht als unverfilmbar geltenden Romans fordern zumindest heraus, auch wenn sie nur bedingt überzeugen.

 

Michael Meyns